Shutter Angle – Was hinter dem Verschlusswinkel steckt und wie er deinen Workflow vereinfacht
Oder: Mit dem Shutter Angle zur perfekten Verschlusszeit

Wer regelmäßig mit unterschiedlichen Framerates arbeitet, kennt das Problem: Beim Dreh wird fröhlich zwischen 24, 60 und 120 fps gewechselt – in der Postproduktion folgt dann der Schock. Das Material wirkt ruckelig, Bewegungen erscheinen unnatürlich abgehackt. Der Grund? Die Verschlusszeit wurde nicht angepasst. Eine gängige Falle – und eine, die sich mit dem richtigen Kamera-Setup elegant vermeiden lässt.
Moderne Kameras wie die Sony FX3, Canon EOS C80 oder Nikon Z6 III bieten hierfür eine Funktion, die aus der professionellen Filmproduktion nicht weg zu denken ist: den sogenannten Shutter Angle – zu Deutsch: Verschlusswinkel. Wer sich auf diese Einstellung verlässt, muss sich um die passende Verschlusszeit keine Gedanken mehr machen. Die Kamera übernimmt das automatisch. Doch was steckt eigentlich dahinter?
Der Ursprung des Shutter Angle
Um den Verschlusswinkel zu verstehen, hilft ein Blick zurück in die Zeit analoger Filmkameras. Damals wurde das Licht mithilfe einer rotierenden Scheibe – dem Rotary Disc Shutter – auf das Filmmaterial gelenkt. Diese Scheibe besaß einen ausgeschnittenen Bereich, durch den das Licht periodisch auf den Film traf, während dieser gleichmäßig durch die Kamera lief.
Der Verschlusswinkel beschrieb dabei, wie groß dieser Lichtdurchlass war – also wie lange jedes Einzelbild belichtet wurde. Ein Winkel von 180° bedeutete, dass jedes Frame für die Hälfte der Rotationszeit belichtet wurde – ein Wert, der bis heute als Standard für den typischen „Cinema Look“ gilt. Kleinere Winkel wie 90° führten zu kürzeren Belichtungszeiten und damit zu schärferen, kontrastreicheren Bildern. Größere Winkel – bis hin zu 360° – erzeugten weichere Bewegungen mit mehr Motion Blur.
Auch wenn heutige Digitalkameras keine rotierenden Scheiben mehr benötigen, folgt ihre Bildästhetik weiterhin den gleichen physikalischen Prinzipien.
Darstellung versch. Verschlusswinkel mit "Rotary Disc Shutter"
Die 180°-Regel: Grundlage für den Kino-Look
Wer ein natürlich wirkendes Bewegungsbild erzielen möchte, hält sich an die sogenannte 180°-Regel. Sie besagt, dass die Verschlusszeit dem Kehrwert des Doppelten der Bildrate entsprechen sollte – bei 24 fps also 1/48 Sekunde, bei 60 fps 1/120 Sekunde usw. Diese Einstellung sorgt für jene Bewegungsunschärfe, die unserem natürlichen Seheindruck am nächsten kommt.
In der Praxis wird das jedoch schnell kompliziert – etwa dann, wenn beim Dreh spontan die Framerate geändert wird. Die passende Verschlusszeit manuell mitzurechnen, ist nicht nur umständlich, sondern auch fehleranfällig. Ein falscher Wert kann den Look einer gesamten Szene ruinieren.

Formel zur Berechnung der Verschlusszeiten
Shutter Angle in der Praxis – dank Firmware-Update auch in der FX3
Genau hier setzt die Funktion des Shutter Angle an. Ursprünglich nur in hochpreisigen Cine-Kameras wie der ARRI Alexa oder der RED V-Raptor zu finden, hält diese Einstellung dank Firmware-Updates mittlerweile auch in kompakteren Modellen wie der Sony FX3 und FX30 Einzug.
Ab Version 6.0 der FX3-Firmware lässt sich unter dem Menüpunkt „Belichtung und Farbe“ → „Belichtung“ → „Verschlussmodus“ die Einstellung von Verschlusszeit auf Verschlusswinkel umstellen. Wird hier der Wert 180° gewählt, passt die Kamera die Verschlusszeit automatisch an die jeweils eingestellte Framerate an – ganz ohne Umrechnen oder manuelles Nachjustieren.
Kameras wie Canons EOS C80, die Nikon Z6 III oder auch die Panasonic LUMIX S1RII haben die Funktion des Verschlusswinkels hingegen von Haus aus an Bord. Ein enormer Vorteil für alle, die flexibel und effizient arbeiten wollen – und dabei Wert auf konsistente Bildästhetik legen.
Tipps & Tricks im YouTube Video
Der Shutter Angle (zu dt. Verschlusswinkel) ist ein mächtiges Werkzeug für eine gleichbleibende Bildästhetik – und erleichtert dir das Leben, wenn du mit verschiedenen Framerates arbeitest. Damit vergisst du nämlich nie wieder, deine Verschlusszeit an die Bildrate anzupassen. Sowas übernehmen dedizierte Cinema Kameras wie die FX3, FX30, FX6 oder FX9 für dich.
Wann sich Abweichungen vom 180°-Winkel lohnen
So nützlich der 180°-Winkel als Standard auch ist – kreative Bildsprache entsteht oft gerade durch Regelbrüche. Sportaufnahmen beispielsweise profitieren von einem kleineren Winkel, etwa 90°. Das Bild wirkt dadurch schärfer und weniger verwischt, Bewegungsdetails werden prägnanter sichtbar.
Am anderen Ende des Spektrums steht der sogenannte Slow Shutter Effect, bei dem mit sehr langen Verschlusszeiten gearbeitet wird – jenseits der klassischen 360°. In der FX3 lassen sich sogar Werte wie „8F“ oder „16F“ einstellen. Diese erzeugen eine surreale Bewegungsunschärfe, bei der sich der Hintergrund deutlich schneller verwischt als das zentrale Motiv. Das Ergebnis kann je nach Inszenierung einen Eindruck von Zeitdehnung, Isolation oder Traumhaftigkeit erzeugen – ein wirkungsvolles Stilmittel für emotionale oder experimentelle Szenen.
Darstellung der Effekte verschiedener Verschlusswinkel